Ist kein Witz, sondern ein Tatsachenbericht über Fussball-Hools:
Erfahrene Alt-Hooligans bilden die Jugend aus
Viel wird zu Zeit über die Ursachen der Gewalt in deutschen Fußballstadien geredet. GLASAUGE sprach mit einem, der es wissen muss: Rolf Plietzsch bringt seit Jahren Nachwuchsschlägern bei, wie man sich fachgerecht die Fresse poliert – aus reinem Idealismus. Von Christian Bartel
„Los, Kevin“ brüllt Rolf „Dumpframme“ Plietzsch und beißt genüsslich in seine Bierbüchse. Der erfahrene Alt-Hooligan Plietzsch arbeitet als Fanbeauftragter beim sächsischen Zwölftligisten „Allerlei Leipzig“ und betreut vor allem die gewaltbereiten Fans der E-Jugend, die „Pampers Ultra“.
„Das ist die Art von Gewalt, die wir sehen wollen“, bekräftigt er, als der achtjährige Kevin Nosske zwei Väter gegnerischer Spieler mit einer eleganten Links-Rechts-Kombination außer Gefecht setzt.
Doch während Nosske seine spitzen Milchzähnchen bereits in die Wade des nächsten Gegners zu bohren versucht, greift ihn ein Schwadron der berüchtigten „Spielermuttis Erzgebirge Aua“ an. Mit ihren gepanzerten Kinderwagen walzen die Damen eine Schneise in die gegnerischen Linien und leisten den bedrängten Vätern Entsatz. Nach erbitterter Gegenwehr (Heulen, Zähneklappern) geht Nosske zu Boden. Plietzsch nickt trotzdem anerkennend. Da ist er ganz Sportsmann – möge der Bessere gewinnen.
„Hooliganismus ist eine saubere Sportart“, freut sich der sympathische 200-Kilo-Mann, dem die Verbundenheit mit seinem Verein ins Gesicht geschrieben steht – und zwar in Frakturschrift. „Ein Andenken an meine aktiven Tage“, sagt er lachend.
Am Spielfeldrand brandet das Kampfgeschehen wieder auf. Nosske hat sich aufgerappelt und ordnet seine Truppen neu. Mit einer ausgefeilten Taktik aus Haareziehen, Pitschen und Zwacken gewinnen die „Pampers Ultra“ verlorenes Terrain zurück. Die Spielermuttis von „Erzgebirge Aua“ haben zum Rückzug geblasen und verschanzen sich in der strategisch wichtigen Pommesbude an Ausgang A. Zischend ergießt sich das heiße Fett über die Angreifer und die „Pampers Ultra“ müssen schreckliche Verluste hinnehmen. Plietzsch lacht dröhnend auf und verspeist eine weitere Bierbüchse. „Die ganze Familie vereint bei körperlichen Betätigung an der frischen Luft, wo findet man das heute noch.“
„Mit der korrupten Welt des Profifußballs wollen wir nichts zu tun haben“
Jugendbetreuer Plietzsch hat hochfahrende Pläne. Die organisierte Prügelei soll olympische Disziplin werden, aber vor allem möchte Plietzsch den Hooliganismus aus dem Dunstkreis des Fußballs befreien. „Mit der korrupten Welt des Profifußballs wollen wir nichts zu tun haben“, erklärt Plietzsch, den hier alle nur „Papa Hool“ nennen, und zaust seinen grauen Vollbart. „Wettskandale, Drogen und Sexorgien auf Weihnachtsfeiern, das ist doch nichts für unsere Jugendlichen.“
Der studierte Theologe ist ein Krawallbruder der ersten Stunde. Bereits 1985 gründete er – noch in der DDR– den Arbeitskreis „Kirche und Gewalt“, der mit spektakulären Aktionen wie „Kloppe für den Weltfrieden“ auf sich aufmerksam machte und gleichermaßen DDR-Obrigkeit wie Kirchenfürsten aufschreckte. Plietzsch war daraufhin von Ausbürgerung bedroht – nur aus humanitären Gründen verzichtete die DDR-Führung auf diesen Schritt. „Klassenfeind hin oder her. Biermann ist ja schon schlimm genug“, bettelte Bundeskanzler Kohl damals in einem vertraulichen Schreiben (Lieber Erich, ..), bis Staatsratsvorsitzender Honecker schließlich einlenkte. Als Plietzsch 1988 in einer Predigt über den alttestamentarischen Propheten Joel („Macht aus euren Pflugscharen Schwerter und aus euren Sicheln Spieße&ldquo

in der Leipziger Nikolaikirche zu sinnloser und entgrenzter Gewalt aufrief, kam es auch zum Bruch mit der kirchlichen Opposition und Plietzsch musste erleben, wie seine Idee einer gewalttätigen Zusammenrottung („Wir sind der Mob&ldquo

zu den friedlichen Montagsdemonstrationen verfälscht wurde. „Friedliche Revolution, wenn ich das schon höre, könnt ich reinschlagen“, empört sich der streitbare Gottesmann noch heute.
Kontakte zur italienischen "Lega Stenica"
Enttäuscht von der Politik wandte sich Plietzsch dem Sport zu. 1992 gründete er die „Synchro Fighters“, einen Verbund gewalttätiger Freunde des Synchronschwimmens. Zwei Jahre später – während des Finales der Europameisterschaften – gelang es Plietzsch und seinen Kumpanen, eine Arschbombe in die vollbesetzte Schwimmhalle zu schmuggeln und zur Detonation zu bringen. Plietzsch musste er für mehrere Jahre untertauchen und die „Synchro Fighters“ wurden zerschlagen. Während seiner Jahre im Ausland knüpfte Plietzsch erste Kontakte zu militanten Fußball-Fans der italienischen „Lega Stenica“ und der britischen „Demolition League“ und konvertierte schließlich. „Ich aber beschloß, Hooligan zu werden“, schreibt Plietzsch dazu kurz und bündig in seinen Memoiren. Ein von glanzvollen Gewalttaten gekrönte Karriere begann. Im letzten Jahr hat sich Rolf „Dumpframme“ Plietzsch aus dem aktiven Geschäft seiner „Firma“ zurückgezogen und betreut nun den Nachwuchs in seiner Heimatstadt Leipzig.
Er kümmert sich um Kinder wie Kevin. Um Kinder, in denen so viel Aggression steckt, dass man in Afrika einen kleinen Krieg damit entfachen könnte. Um Kinder, deren Talent zur Destruktion ohne Plietzsch vielleicht unentdeckt geblieben wäre und denen andernfalls ein trostloses Leben als Haustyrann oder Sportlehrer gedroht hätte. Plietzsch gibt ihn eine Stimme, hilft ihnen, zu sich zu finden und ihre Gefühle auszudrücken. Durch Fresse-Einschlagen.
„Asozial und hundsgemein“ heißt ihre Hymne und die „Pampers Ultra“ singen sie, während sie aus dem vollständig demolierten Stadion ziehen. Rolf „Dumpframme“ Plietzsch blickt ihnen noch lange nach. Er hat Tränen in den Augen.